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Tuesday, March 29, 2016

Agenda 2010 im Französisch?


Frankreich steht vor einer Arbeitsmarktreform. Das linke Lager, Gewerkschaften, Schüler und Studenten protestieren seit Wochen dagegen. Das Regierungskabinett gab nun grünes Licht für die umstrittene Reform.
Von Kerstin Gallmeyer, ARD-Studio Paris
"Das Bild von Frankreich ist relativ dramatisch, weil die ausländischen Investoren immer die Karikatur haben, dass man in Frankreich nicht sehr viel arbeitet, dass es keine Flexibilität gibt. Dass man sich von den Arbeitnehmern nicht trennen kann", sagt der französische Anwalt für Arbeitsrecht Aymeric Le Goff. Und er muss es wissen. Le Goff berät er vor allem deutsche Unternehmen, die auf den französischen Markt streben. Deshalb begrüßt er die Reform, über die das französische Kabinett heute berät.
Es ist das letzte große Reformvorhaben, das Präsident Hollande in seiner Amtszeit auf den Weg bringen will. Und die Zeit drängt: Denn sein großes Versprechen schon bei Amtsantritt war, die Massenarbeitslosigkeit im Land nachhaltig zu senken. Anderenfalls werde er nicht wieder antreten. Doch bislang ist er von diesem Ziel weit entfernt. Im nächsten Jahr stehen wieder Präsidentschaftswahlen an und noch immer sind mehr als dreieinhalb Millionen Franzosen ohne Job.


35-Stunden-Woche steht auf dem Prüfstand

Quasi auf den letzten Drücker will Hollande nun den Arbeitsmarkt flexibler gestalten und dadurch mehr Arbeitsplätze schaffen. Es geht es darum, den Kündigungsschutz zu lockern, und die 35-Stunden-Woche steht zur Disposition.
Aus Sicht von Arbeitsrechtler Le Goff ist das auch notwendig. Er merkt an, dass die 35-Stunden-Woche auf ausländische Investoren abschreckend wirke. Eine Flexibilisierung betrachten nicht wenige im linken Lager und viele Gewerkschaften in Frankreich als große Gefahr für die Arbeitnehmerrechte. Und auch Schüler und Studenten hat das Reformvorhaben mobilisiert. Ihre Angst ist, dass sie in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt noch schlechter da stehen als ohnehin schon.
 

Frankreichs Pläne weit von Hartz-IV-Reformen entfernt

Doch so einschneidend, wie etwa die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010, ist die geplante Reform des Arbeitsrechts in Frankreich lange nicht, meint Stefan Collignon, Professor für europäische Wirtschaftspolitik. Die angestrebte Reform habe bei weitem nicht die Tragweite, die die Hartz-IV-Reformen hatten.
Was das große Problem in Frankreich ist: Dieses Land ist kaum reformierbar. Sobald man etwas verändern will, gibt es sofort enormen Widerstand. Widerstand, der die Regierung bereits dazu gebracht hat, einige geplante Maßnahmen der Reform zu entschärfen. So nahm sie beispielsweise die Obergrenze von Abfindungen bei betriebsbedingten Kündigungen zurück.
Trotzdem: Für Präsident Hollande bleibt es ein heikles Reformprojekt. Auch die Agenda 2010 war für den damaligen deutschen Bundeskanzler Schröder problematisch. "Wenn es eine Ähnlichkeit gibt zwischen Schröder und Hollande, dann ist es vielleicht die, dass es beides Führer waren ihres Lagers, die am Ende die Linke, sprich Sozialdemokratie in Deutschland, die sozialistische Partei in Frankreich, ins Grab geführt haben", so Collignon.
Das Reformpaket mit seinen Hartz-Gesetzen hat Ex-Kanzler Schröder 2005 die Wiederwahl gekostet. Ein Schicksal, das Frankreichs Präsident Hollande im kommenden Jahr ebenfalls droht – mit oder ohne die umstrittene Arbeitsrechtsreform.

Billigere Gehäuse - ein relativ

Die Mieten in Deutschland steigen - und dennoch müssen die Menschen in deutschen Großstädten relativ gesehen weniger Geld für das Wohnen ausgeben. Grund sind die gestiegenen Einkommen, so eine IW-Studie. Es gibt aber auch Verlierer der Entwicklung.
Wohnen ist in deutschen Großstädten laut einer Studie billiger geworden - nicht in absoluten Zahlen, aber in Relation zu den Einkommen. Denn die stiegen im Schnitt schneller als die Mieten. Dies geht aus einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor, die auf die vergangenen fünf Jahre blickt. Die Nettokaltmieten sanken demnach im Verhältnis zur Kaufkraft außer in Berlin und Stuttgart in allen deutschen Großstädten.
Vor allem Besserverdiener profitierten von der relativ günstigen Entwicklung auf dem Immobilienmarkt. Dagegen würden Studenten, Arbeitslose und Rentner stärker belastet als früher, sagte der Immobilienexperte des Instituts, Michael Voigtländer. Denn ihr Einkommen sei in dem Zeitraum nicht gestiegen.

Kaufen, nicht mieten

Laut der IW-Studie ist der Kauf von Wohneigentum inzwischen langfristig preiswerter als Mieten - zumindest in den untersuchten Städten Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf. Dies kommt aber nur einem Teil der Bevölkerung zugute. Denn nur wer genug Eigenkapital mitbringe, könne profitieren, so die Studie.
Miet- und Kaufpreise bleiben in den Großstädten aber immer noch höher als im Bundesdurchschnitt. Auch bereinigt um die Kaufkraft zahlen Münchner für ihre Mieten über 50 Prozent mehr als der durchschnittliche Mieter oder Wohnungsinhaber.

Monday, March 28, 2016

Volkswagen will die Kundenbindung Belohnung zu erhalten


Ein dreitüriger Golf ist derzeit mit 28 Prozent Rabatt zu haben – ein ungewöhnlich hoher Nachlass. Autoexperten erklären das damit, dass Volkswagen verärgerte Kunden besänftigen will.


Im Abgasskandal will VW verärgerte Kunden in Deutschland offenbar mit satten Rabatten milde stimmen. Wie eine Erhebung des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen ergab, ist derzeit etwa ein dreitüriger Golf mit 28 Prozent Rabatt auf den Listenpreis zu haben. Hintergrund sei eine Treueprämie von bis zu 2000 Euro, die beim Eintausch eines VW-Gebrauchtwagens und gleichzeitigem Neukauf eines VW-Modells gewährt werde. Das Programm laufe zunächst bis Ende April.
"VW versucht mit dem Programm Kundenverärgerungen entgegenzusteuern. Nur kein Einbruch bei den Neuzulassungen scheint die Devise", sagte Institutsdirektor Ferdinand Dudenhöffer. Er verwies auch auf hohe Eigenzulassungen von 32 Prozent aller Neuwagen im Februar.

Insgesamt gehen Rabatte zurück


In den VW-Rabatten sieht der Branchenexperte auch eine Reaktion auf den Unmut deutscher Kunden wegen der Wiedergutmachungsaktion in den USA, die es hierzulande nicht gab. Kurz nach Bekanntwerden des Dieselskandals hatte VW den US-Kunden 1000 Dollar über Kartenguthaben und Gutscheine gewährt.
Dudenhöffer betonte, VW falle aus dem Rahmen, da insgesamt die Rabatte im deutschen Markt zurückgingen. Im März seien im Schnitt 17,6 Prozent Nachlass auf individuell bestellte Neuwagen gewährt worden.
 


Kaufen, kaufen, kaufen

Die niedrigen Zinsen haben in Deutschland 2015 das Interesse an Immobilien verstärkt. Laut einer amtlichen Schätzung wechselten Wohnungen, Häuser und Grundstücke für mehr als 200 Milliarden Euro den Besitzer. Droht eine Immobilienblase?
Das Geschäft mit Immobilien läuft in Deutschland weiter prächtig. 2015 haben laut einer amtlichen Schätzung Wohnungen, Häuser und Grundstücke für 200 bis 210 Milliarden Euro den Besitzer gewechselt. "Wir knacken erstmals die 200-Milliarden-Euro-Marke", sagte Peter Ache, Geschäftsstellenleiter des Arbeitskreises der Gutachterausschüsse, der die Schätzung vorgenommen hat.
Seit 2010 gehe es linear nach oben, "2015 ist es sogar noch ein bisschen stärker gestiegen", sagte Ache. Die Gutachterausschüsse erheben die bundesweiten Zahlen seit 2007. Ihr Auftrag besteht in einer "allgemeinen Marktransparenz". Grundlage der Erkenntnisse sind Kaufverträge.
Grund für den Boom seien die niedrigen Zinsen. Weil diese weiter sinken, rechnen die amtlichen Gutachterausschüsse auch 2016 mit einem erneuten Anstieg der Summe.

"Behalten die Immobilien ihren Wert?"

Die Gefahr einer Immobilienblase sehen die Ausschüsse noch nicht, einen weiteren Anstieg der Preise beurteilen sie jedoch skeptisch. Man sei gespannt auf die Entwicklung im Falle eines Zinsanstiegs. Dann stelle sich die Frage: "Behalten die Immobilien ihren Wert?"
Besonders stark steigen die Preise weiter in den großen Städten wie Düsseldorf, Leipzig, München, Frankfurt, Hamburg und Berlin. Auch im Umfeld dieser Städte stiegen die Preise deutlich. Zu beobachten sei jedoch auch, dass Immobilienkäufer zunehmend auf den ländlichen Raum auswichen. "Die Leute finden in den Städten nichts mehr", sagte Ache.
Laut Bundesbank gibt es einen starken Zusammenhang zwischen Immobilienbesitz und Vermögen. Das habe eine Studie über deutsche Privathaushalte ergeben. Demnach hat die Hälfte aller Deutschen, die im Eigenheim wohnen, ihr Nettovermögen von 2010 bis 2014 um mehr als 33.500 Euro gesteigert. Mieter wurden mehrheitlich nur um weniger als 1000 Euro reicher oder mussten sogar Einbußen hinnehmen.
Laut Statistischem Bundesamt leben 57 Prozent der Deutschen zur Miete, 43 Prozent sind Eigentümer. Die Zahlen wurden 2013 in der Einkommens- und Verbraucherstichprobe erhoben.

Probleme für Landwirte

Problematisch ist die Preisentwicklung auch für die Landwirtschaft, denn auch Ackerland habe sich weiter verteuert. Mancherorts sei es kaum günstiger als Gewerbeland. "Da können sie ihre Kühe besser auf einer Gewerbefläche melken", sagte Ache. Der Höhepunkt des Preisanstiegs bei Ackerland könnte aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft im Westen jedoch erreicht sein. In Ostdeutschland seien weitere Aufschläge möglich.

Neue Kritik an Gabriels Entscheidung


Die Ministererlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Gabriel zur Übernahme von Kaiser's-Tengelmann durch Edeka sorgt weiter für Kritik. Nachdem der Chef der Monopolkommission aus Protest zurückgetreten war, stärkte ihm nun sein Nachfolger den Rücken.
Auch der neue Chef der Monopolkommission, Achim Wambach, hat die Ministererlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zur Übernahme von Kaiser's-Tengelmann durch Edeka kritisiert und damit seinem zurückgetretenen Vorgänger Daniel Zimmer den Rücken gestärkt. "Vollbeschäftigung ist ein Ziel der Wirtschaftspolitik", sagte Wambach der "Welt am Sonntag". Dies sei "aber nicht gleichzusetzen mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen bei einem bestimmten Unternehmen".
Die Monopolkommission habe sich einstimmig gegen eine Erteilung der Ministererlaubnis ausgesprochen, weil es im "vorliegenden Fall nicht um strukturelle Arbeitslosigkeit" gehe, sagte Wambach.

Streit um Gabriels Entscheidung

Gabriel hatte entgegen der Empfehlung des Beratergremiums die Übernahme erlaubt und damit ein Verbot des Bundeskartellamts ausgehebelt. Aus Protest gegen diese "äußerst problematische wirtschaftspolitische Entscheidung" war Zimmer daraufhin zurückgetreten. Sein Nachfolger Wambach, der seit 2014 Mitglied der Monopolkommission ist, bedauerte den Rücktritt. Zimmer habe sich in seiner fast achtjährigen Amtszeit mit großem Engagement für die Stärkung des Wettbewerbs in Deutschland eingesetzt.
Edeka darf gemäß Gabriels Entscheidung die rund 450 Filialen von Kaiser's-Tengelmann fünf Jahre lang nicht an selbständige Edeka-Einzelhändler weiterreichen und muss betriebsbedingte Kündigungen in dieser Zeit ausschließen. Nach Ablauf der fünf Jahre gilt für weitere zwei Jahre Kündigungsschutz für Kaiser's-Beschäftigte, sollte ihre Filiale übernommen werden. Gabriel hatte seine sehr selten ausgesprochene Ministererlaubnis unter anderem mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen begründet.

Rewe klagt

Gabriels Kritiker befürchten, dass der Wettbewerb im Lebensmittelhandel mit der Fusion der beiden Ketten weiter eingeschränkt werden könnte. Gabriel hatte betont, aus seiner Sicht sei der Schutz von Arbeitsplätzen wichtiger als die Bedenken des Kartellamts. Mit einer Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf versucht der Kölner Handelskonzern Rewe, die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka noch zu verhindern.

Saturday, March 12, 2016

Die Bekämpfung der korrupte Ärzte auf Eis

Eigentlich sollte das geplante Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen längst beschlossen sein. Doch die verschärften Regeln lassen auf sich warten. Wie wichtig sie wären, haben jüngst wieder Medienberichte gezeigt.
Von Christian Baars, NDR
"Korruption im Gesundheitswesen beeinträchtigt den Wettbewerb, verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen." Mit diesem Satz beginnt der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen. Es gibt also ganz offensichtlich ein Problem. Die Regierung hat es erkannt. Aber es passiert derzeit wenig. Das geplante Gesetz wurde bereits im vergangenen Sommer vom Kabinett verabschiedet. Im Oktober stand der Gesetzentwurf. Anfang dieses Jahres sollte eigentlich der Bundestag darüber abstimmen. Doch die Verabschiedung des Gesetzes wurde schon mehrfach verschoben. Nun ist vom Sommer die Rede.

Linkspartei hat

 Pharma-Lobby im Verdacht

"Ich persönlich kann das nur schwer nachvollziehen", sagt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Schärfer wird Kathrin Vogler, Gesundheitspolitikerin der Linkspartei: "Ich finde das unglaublich, wir diskutieren ja nicht erst seit gestern über dieses Gesetz." Nachbesserungen hätten längst stattfinden können, so sie denn nötig wären. Vogler hat einen anderen Verdacht: "Wir erleben sehr rege Lobbytätigkeit der Pharma- und der Ärzteverbände. Ich habe die Befürchtung, dass da einige eingeknickt sind, um dieses ohnehin nicht besonders scharfe Gesetz noch ein bisschen aufzuweichen."
Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) widerspricht diesem Verdacht: Pharmafirmen stünden einem Antikorruptionsgesetz nicht im Wege, sagt VFA-Geschäftsführerin Birgit Fischer. Es gebe vielmehr "von vielen Beteiligten wie auch dem Deutschen Richterbund noch Hinweise auf verfassungsrechtliche Fragen".

Diskussion über "legale Form der Korruption"

 
 
Die Diskussion über das Antikorruptionsgesetz ist wieder aufgeflammt, nachdem diese Woche Recherchen von NDR, WDR, "Süddeutscher Zeitung" und "correctiv.org" zu sogenannten Anwendungsbeobachtungen (AWB) veröffentlicht wurden. Kritiker bezeichnen diese Art von Studien auch als "legale Form der Korruption". Die Recherchen haben gezeigt, in welch großem Umfang die Pharmaindustrie im Rahmen von Anwendungsbeobachtungen Ärzte dafür bezahlt, dass sie ihren Patienten ausgesuchte Medikamente verschreiben und dann Daten an die Firmen weitergeben. Mehr als 100 Millionen Euro investieren Pharmafirmen jedes Jahr dafür, zwischen 2009 und 2014 sollten rund 1,7 Millionen Patienten daran teilnehmen.
Vor diesem Hintergrund fordert die Deutsche Stiftung Patientenschutz, den Entwurf des Antikorruptionsgesetzes zu verschärfen. "Jeder Patient muss darauf vertrauen können, dass seine bestmögliche Therapie im Vordergrund steht, wenn ihm ein Medikament verordnet wird", sagte Vorstand Eugen Brysch der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Wo Studien im Rahmen der Anwendung notwendig seien, müsse der Gesetzgeber hierfür klare Regeln festlegen. Patienten müssten vorab informiert werden und schriftlich zustimmen, so Brysch, und eine Bundesoberbehörde müsse die Studien zuvor prüfen. Bislang müssen Anwendungsbeobachtungen lediglich gemeldet, aber nicht genehmigt werden.
In dem bisherigen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Korruption werden Anwendungsbeobachtungen zwar als mögliches Einfallstor für Bestechungen genannt, aber generell als "wünschenswert" bezeichnet. Sie sollen demnach "nach ihrer Art und Höhe so bemessen" sein, "dass kein Anreiz für eine bevorzugte Verschreibung bestimmter Arzneimittel entsteht".

Politiker fordern strengere Regeln

Dem SPD-Politiker Lauterbach reicht dies nicht aus. Er regte im ARD-Magazin "Panorama" eine Genehmigungspflicht für Anwendungsbeobachtungen an. "Es geht um die Patientensicherheit", sagt er. Schließlich bestehe die Gefahr, dass die bezahlten Studien für Ärzte ein Anreiz sind, Patienten schlechtere oder nebenwirkungsreichere Medikamente zu geben. "Hier muss dringend etwas passieren", sagt er.
Linkspartei-Gesundheitsexpertin Vogler reicht sogar eine Genehmigungspflicht nicht aus. Sie fordert, "Studien zur Praxisanwendung ganz der Pharmaindustrie aus der Hand zu nehmen". Die meisten Anwendungsbeobachtungen seien wissenschaftlich sinnlos. "Aber die, die man braucht, sollten von unabhängigen Institutionen untersucht werden", so Vogler.
Der AOK-Bundesverband bezeichnet diese Form der Studien als "reine Marketinginstrumente der Pharmaindustrie". "Sie setzen Anreize zur Fehlversorgung und bringen keinerlei Erkenntnisgewinn", so ein Sprecher.

Viele Studien dort, wo Konkurrenz groß ist

Ein Ergebnis der Recherchen war, dass viele Anwendungsbeobachtungen zu alten Präparaten durchgeführt werden, bei denen es nach Experteneinschätzung keinen erwartbaren Erkenntnisgewinn mehr geben könne. Auffällig stark vertreten sind zudem besonders teure Medikamente oder solche mit starker Konkurrenz zu anderen Mitteln, darunter auch solche, die zur Diagnostik eingesetzt werden. Unter den zehn Top-Präparaten, die an besonders vielen Patienten untersucht werden sollen, finden sich gleich sieben Kontrastmittel, wie sie bei Röntgenuntersuchungen und im Computer- oder Magnetresonanztomografen eingesetzt werden, um Gewebe besser darzustellen. Insgesamt sollten von 2009 bis 2014 Anwendungsbeobachtungen zu mehr als 500.000 Patienten beim Einsatz eines Kontrastmittels durchgeführt werden.


Ein Beispiel: die Studie "Vi-Conect". Der Hersteller des Kontrastmittels und Auftraggeber der Anwendungsbeobachtung GE hat im Gegensatz zu vielen anderen Pharma-Unternehmen sowohl Fragen zur Höhe der Honorare als auch zur Zahl der teilnehmenden Ärzte beantwortet. Die jüngste Anwendungsbeobachtung des Unternehmens zu ihrem Kontrastmittel Visipaque lief von 2013 bis 2014. 56 Arztpraxen nahmen teil. Sie brachten insgesamt mehr als 13.500 Patienten ein. GE zahlte 35 Euro pro Patient. Im Schnitt bekam jede Praxis damit etwa 8500 Euro. Generell begründen alle angefragten Firmen die Anwendungsbeobachtungen damit, sie im Sinne der Patientensicherheit - etwa um die Strahlendosis möglicherweise reduzieren zu können - und für den Fortschritt in der Diagnostik ein wesentliches Instrument seien.
Dagegen vermutet Wolfgang Becker-Brüser, Herausgeber des Arznei-Telegramms, auch eher andere Interessen der Hersteller. Denn es sei ein hart umkämpfter Markt mit klarer Zielgruppe, sagt er. Die Firmen kämpfen um relativ wenige Röntgenärzte, die Kontrastmittel anwenden. Zudem sind die Mittel meist sehr vergleichbar.
 
 

Pharma-Firmen sehen Studien als unverzichtbares Instrument

Der Pharma-Verband VFA widersetzte sich auch dem Vorwurf, dass Firmen durch "legalisierte Korruption" im Rahmen von Anwendungsbeobachtungen ihre Medikamente in den Markt drücken. Der VFA spricht von einem "unverzichtbaren Instrument für die Arzneimittelforschung". Anders als bei klinischen Studien würden hier Informationen über Arzneimittel unter Alltagsbedingungen gewonnen.
Schon im Jahr 2013 hatte allerdings das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) anhand einer eigenen Analyse die große Beteiligung von Kontrastmitteln an AWB kritisch bewertet. Sie stellten fest, dass viele Anwendungsbeobachtungen zu alten, besten erforschten Mitteln durcheführt wurden. Nur eines sei damals seit weniger als fünf Jahren auf dem Markt gewesen. "Vor diesem Hintergrund können wir den Verdacht nicht ausräumen, dass eine beträchtliche Zahl" von Anwendungsbeobachtungen "vor allem aus Marketinggründen durchgeführt wurde."
 
 

"Gut für Börsianer - schlecht für die Sparer."


Die Europäische Zentralbank hat für ihre Entscheidung den Leitzins auf null Prozent zu senken, harsche Kritik aus der Finanzwelt geerntet. Die beschlossenen Maßnahmen seien "Gift". Der Nullzins sei zwar gut für die Börsianer, die Sparer würden aber quasi enteignet.
Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, den Leitzins auf null Prozent zu senken und damit noch mehr Milliarden Euro in den Markt zu pumpen, hat in Teilen der Finanzwelt für Entsetzen gesorgt.
Der Bankenverband bezeichnete das Maßnahmenpaket der EZB als "Gift". Es sei "vollkommen unnötig", dass die EZB den Geldhahn noch weiter aufgedreht habe, erklärte BDB-Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer.


Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, warnte vor den Nebenwirkzungen der EZB-Entscheidung: "Das Produktivitätswachstum lässt nach, weil auch unrentable Investitionen wegen der niedrigen Zinsen attraktiv erscheinen. Es steigt das Risiko, dass es in Deutschland am Immobilienmarkt zu Überhitzungen kommt. Außerdem wird der Anreiz für Euro-Länder gesenkt, notwendige Reformen durchzusetzen."

"Eine gigantische Umverteilung von Norden nach Süden"

Für Georg Fahrenschon, Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes, sind die Maßnahmen "Ausdruck einer verzweifelten Suche der EZB nach immer mehr Stimulanz für die Märkte". Dabei seien diese gar nicht mehr nötig. "Besser wäre gewesen, erst die Wirkung der ohnehin schon expansiven Schritte vom Dezember abzuwarten."
Anton Börner, Präsident des Exportverbandes BGA, wertete den Nullzins zwar als "gute Nachricht für die Börsianer und für die Schuldenländer im Süden". Für die deutsche Bevölkerung sei er hingegen katastrophal. Die Sparer würden "enteignet", so Börner. "Das ist eine gigantische Umverteilung von Norden nach Süden. Politisch birgt das einen großen Sprengsatz, wenn man das mit der Flüchtlingskrise zusammentut. Das ist brandgefährlich", sagte Börner.
Dass die Maßnahme in den wirtschaftlich schwachen Ländern Erfolg habe werde, glaubt er nicht. "Man lullt die Schuldenstaaten ein. Sie machen keine Reformen, die Produktivität steigt nicht. Nord und Süd driften so noch weiter auseinander. Die deutschen Exporteure können vielleicht kurzfristig ein bisschen profitieren, weil der Euro weiter geschwächt wird. Auf der anderen Seite ist es aber schlecht für die Importeure."

"Das ist wohl eine Verzweiflungstat"

"Die Politik des billigen Geldes zerstört Vertrauen", sagte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates. Die Gefahr einer Deflation bestehe nicht. "Es gibt keine Abwärtsspirale fallender Preise, Löhne und Gehälter. Bei einer falschen Medizin hilft es nicht, die Dosis weiter zu erhöhen. Die gefährlichen Nebenwirkungen lassen sich längst nicht mehr schönreden."
ARD-Börsenexperte Klaus-Rainer Jackisch bewertet den Schritt ebenfalls kritisch: Die Ausweitung der Anleihenkäufe und die Erhöhung des Strafzinses seien erwartet worden. Mit dem "massiven Schritt" der weiteren Leitzinssenkung habe aber niemand gerechnet. "Das ist wohl eine Verzweiflungstat", sagte Jackisch in der tagesschau. Zudem verwies er auf die "Risiken und Nebenwirkungen" der EZB-Politik, die vor allem die Bevölkerung zu tragen habe - unter anderem in Form von Mini-Zinsen auf Spareinlagen und Risiken für die Altersvorsorge.

Über Erbil fliegen Eagles


Die autonomen Kurdengebiete im Norden des Iraks entwickelten sich nach dem Sturz Saddam Husseins prächtig. Doch inzwischen ist die Stabilität ins Wanken geraten. Daran schuld sind der Krieg gegen die Terrorgruppe IS und der niedrige Ölpreis.
Von Björn Blaschke, ARD-Studio Kairo, zzt. in Erbil
Ein Springbrunnen, Bänke, tobende Kinder, ein Teehaus: Wir sind in Erbil im Norden des Iraks, der Hauptstadt der autonomen Region Irakisch-Kurdistan. Nach dem Sturz von Diktator Saddam Hussein 2003 entwickelte sich die Region rasant, während andere Teile des Landes im Chaos versanken. Der alte Basar im Zentrum wurde saniert, neue Shopping-Malls gebaut, in den Außenbezirken der Stadt wuchs eine Wohnanlage nach der anderen und gläserne Hochhäuser schossen in den Himmel.
Überall wurde Irakisch-Kurdistan als "der andere Irak" gefeiert, als Landstrich, in dem Stabilität und Sicherheit herrschten. Eine Region, in der Ausländer keine Terroranschläge fürchten mussten. Dies alles schlug sich in den Gehältern der Menschen nieder: Hatten 2003 Lehrer noch 50 Dollar bekommen, waren es zehn Jahre später 500 Dollar.

Keine Gehälter für Staatsangestellte

Noch vor zwei Jahren feierte sich die Millionenstadt - und wurde gefeiert: als "Boom-Town-Erbil" und "das neue Dubai". Und heute? Heute möchte der junge Geldwechsler, der im Zentrum von Erbil irakische Dinar für Dollars oder Euros verkauft, gar nicht erst über die wirtschaftliche Situation reden.
Über "Boom-Town Erbil" kreisen Pleitegeier, spotten manche Politiker. Sachlicher redet der stellvertretende Chef der autonomen Regierung von Irakisch-Kurdistan, Qubad Talabani: "Der globale Ölpreisverfall hat enorme Konsequenzen für unsere Wirtschaft. Unsere Rücklagen schrumpfen, wir haben ein Haushaltsdefizit und deshalb sind wir nicht in der Lage, unseren Gehaltsverpflichtungen nachzukommen."

Auf die Großfamilie angewiesen

Seit Oktober des vergangenen Jahres zahlt die Regionalregierung die Gehälter für Angestellte des öffentlichen Dienstes nur teilweise oder gar nicht mehr. Die privaten Rücklagen schrumpfen, wer Glück hat, dem hilft die Großfamilie. Aus Protest gegen den Lohnausfall legten Lehrer, zum Beispiel in der Provinz Sulemanya, die Arbeit nieder. Für Schüler fiel der Unterricht aus.
In Erbil ist es noch nicht so schlimm. Ein Restaurantbesitzer im Zentrum der Stadt äußerte Verständnis für jeden Beamten, der nicht mehr zur Arbeit geht: "Du hast ein Gehalt. Wenn du aber keines hast, arbeitest du auch nicht. Hier gibt es keine Beamtengehälter."