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Tuesday, March 29, 2016

Agenda 2010 im Französisch?


Frankreich steht vor einer Arbeitsmarktreform. Das linke Lager, Gewerkschaften, Schüler und Studenten protestieren seit Wochen dagegen. Das Regierungskabinett gab nun grünes Licht für die umstrittene Reform.
Von Kerstin Gallmeyer, ARD-Studio Paris
"Das Bild von Frankreich ist relativ dramatisch, weil die ausländischen Investoren immer die Karikatur haben, dass man in Frankreich nicht sehr viel arbeitet, dass es keine Flexibilität gibt. Dass man sich von den Arbeitnehmern nicht trennen kann", sagt der französische Anwalt für Arbeitsrecht Aymeric Le Goff. Und er muss es wissen. Le Goff berät er vor allem deutsche Unternehmen, die auf den französischen Markt streben. Deshalb begrüßt er die Reform, über die das französische Kabinett heute berät.
Es ist das letzte große Reformvorhaben, das Präsident Hollande in seiner Amtszeit auf den Weg bringen will. Und die Zeit drängt: Denn sein großes Versprechen schon bei Amtsantritt war, die Massenarbeitslosigkeit im Land nachhaltig zu senken. Anderenfalls werde er nicht wieder antreten. Doch bislang ist er von diesem Ziel weit entfernt. Im nächsten Jahr stehen wieder Präsidentschaftswahlen an und noch immer sind mehr als dreieinhalb Millionen Franzosen ohne Job.


35-Stunden-Woche steht auf dem Prüfstand

Quasi auf den letzten Drücker will Hollande nun den Arbeitsmarkt flexibler gestalten und dadurch mehr Arbeitsplätze schaffen. Es geht es darum, den Kündigungsschutz zu lockern, und die 35-Stunden-Woche steht zur Disposition.
Aus Sicht von Arbeitsrechtler Le Goff ist das auch notwendig. Er merkt an, dass die 35-Stunden-Woche auf ausländische Investoren abschreckend wirke. Eine Flexibilisierung betrachten nicht wenige im linken Lager und viele Gewerkschaften in Frankreich als große Gefahr für die Arbeitnehmerrechte. Und auch Schüler und Studenten hat das Reformvorhaben mobilisiert. Ihre Angst ist, dass sie in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt noch schlechter da stehen als ohnehin schon.
 

Frankreichs Pläne weit von Hartz-IV-Reformen entfernt

Doch so einschneidend, wie etwa die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010, ist die geplante Reform des Arbeitsrechts in Frankreich lange nicht, meint Stefan Collignon, Professor für europäische Wirtschaftspolitik. Die angestrebte Reform habe bei weitem nicht die Tragweite, die die Hartz-IV-Reformen hatten.
Was das große Problem in Frankreich ist: Dieses Land ist kaum reformierbar. Sobald man etwas verändern will, gibt es sofort enormen Widerstand. Widerstand, der die Regierung bereits dazu gebracht hat, einige geplante Maßnahmen der Reform zu entschärfen. So nahm sie beispielsweise die Obergrenze von Abfindungen bei betriebsbedingten Kündigungen zurück.
Trotzdem: Für Präsident Hollande bleibt es ein heikles Reformprojekt. Auch die Agenda 2010 war für den damaligen deutschen Bundeskanzler Schröder problematisch. "Wenn es eine Ähnlichkeit gibt zwischen Schröder und Hollande, dann ist es vielleicht die, dass es beides Führer waren ihres Lagers, die am Ende die Linke, sprich Sozialdemokratie in Deutschland, die sozialistische Partei in Frankreich, ins Grab geführt haben", so Collignon.
Das Reformpaket mit seinen Hartz-Gesetzen hat Ex-Kanzler Schröder 2005 die Wiederwahl gekostet. Ein Schicksal, das Frankreichs Präsident Hollande im kommenden Jahr ebenfalls droht – mit oder ohne die umstrittene Arbeitsrechtsreform.

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